Demokratiekritik und Imperatives Mandat

Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Sophie Elisabeth Best -
Número de respuestas: 12

Daniele Dahn steigt in ihren Vortrag ein, indem sie die Kluft skizziert, welche sich bei der Betrachtung der Wünsche der Bürger:innen in Kontrast zu den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen der Politik auftut. Im weiteren Verlauf beschreibt sie, inwiefern unsere Zukunft von den Geldgebenden und Medienbesitzenden bestimmt wird und wie auch das Kanzler:innenamt massiv durch die Lobbyisten gelenkt wird. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Quellen gewünscht. Der Kern ihrer Kritik an der repräsentativen Demokratie ist die nicht wirklich umgesetzte Repräsentation. Hier führt sie auch den Begriff der "Repräsentationsfiktion" von Marx ein. Indem Zusammenhang erläutert Sie die Problematik des Freien Mandats, welcher nach ihren Worten Politiker:innen letztendlich vom Wähler:innenwillen befreit. Sehr spannend und neu für mich war, dass bereits in der Antike eine Demokratie mit imperativem Mandat vorherrschte, was bedeutete, dass Versprechen einzuhalten sind, da man sonst jederzeit abgesetzt werden kann. Ich fände ein imperatives Mandat heute super, um der eingangs beschriebenen Kluft zwischen Wünschen und Umsetzungen entgegenzuwirken. Spontan fallen mir auch keine Gründe gegen ein solches imperatives Mandat ein, die eher für ein freies Mandat sprechen würden. 

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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Emma Remisch -
Hey Sophie, ähnliche Gedanken wie du hatte ich auch und da ich mir nicht erklären konnte was die wirklichen Hintergründe für das freie Mandat sind und warum es kein imperatives Mandat im Bundestag gibt. Im Grundgesetz Artikel 28 ist das freie Mandat festgehalten. Eine Begründung findet sich dort nicht. Parlamentarier*innen sind nur an ihr eigenen Gewissen gebunden. Meinen Recherchen zufolge hat das den Hinetrgrund, dass somit innerhalb des Parlaments kein Zwang besteht, um Demokratiesichernd zu wirken. Da Sich so auch innerhalb einer Partei keine Zwänge bilden können und die Parlamentarier*innen sich nur vor Wähler*innen zu verantworten haben. Das ist grundsätzlich eine gute Idee - wie ich finde - allerdings sieht das in der Praxis - wie auch Frau Dahn unterstreicht - anders aus. Sodass es leider mal wieder am Geld zu hängen scheint und Machtinteressen über Wähhler*innen-Interessen zu stehen scheinen.
Dennoch finde ich den Grundgedanken eines freien Mandats nicht verkehrt. Nur gehen hier Idee und Umsetzung auseinander, was meiner Meinung nach auch für ein imperatives Mandat - oder zumindest eine abgewandelte Variante davon.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Usuario eliminado -
Hey Sophie,

spontan fiele mir ein, dass man in der Politik nicht auf nicht-vorhersehbare Situationen reagieren könnte, wenn wir zu einem imperativen Mandat wechseln würden. Denkt nur an den Krieg in der Ukraine. Frau Dahn erwähnte ja bereits, dass die Grünen sich im Laufe der Zeit angepasst haben und von ihren sehr strikten Idealen abgewichen sind - ich fand es unfassbar schwierig, dass man in der Politik so lange brauchte, um die Ukraine in der Rüstung zu stärken. Und das, obwohl wir ein freies Mandat haben und das Abweichen der eigentlichen Abrüstungsgedanken völlig legitim gewesen wäre. Ja, ich weiß, dass da noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Aber auch hier muss ich wieder daran denken wie sehr wir "einfachen Bürger" regelrecht durch Medien in unserer Gedankenwelt instruiert werden.

Tatsächlich denke ich seit einem Seminar, in dem es um Teilhabe an Bildung und damit verbunden das Exkludieren durch Förderschulen ging, daran, dass es eine dringliche Verpflichtung geben müsste, das Schulsystem so anzupassen, dass alle die gleiche Chancen auf Bildung erhalten ohne schutzlos einem völlig chaotischem System ausgesetzt zu werden (Wegfall der Förderschulen in Hamburg läuft total katastrophal) oder durch die Festlegung von Förderschwerpunkten in Förderschulen auch noch unter "Gleichgesinnten" gruppiert exkludiert zu werden.
Da fände ich ein imperatives Mandat tatsächlich sehr sinnvoll.
Im Prinzip müsste ein neues Politiksystem geschaffen werden, um Demokratie in der reinen Form auch wirklich ermöglichen zu können.
Fängt an beim Bildungsauftrag, der bereits Kinder und Jugendliche darüber aufklären müsste, was Medien mit uns Menschen eigentlich machen - während meiner Schulzeit habe ich ganz stumpf irgendwelche Fakten und Übersichten gepaukt, wurde aber niemals systemkritisch in die tieferen Strukturen eingeführt. Wie soll man sich da eine Meinung bilden können während alle danach schreien, dass man unbedingt wählen gehen muss?
Und das System Schule selbst ist ja auch eher schwergängig Richtung Demokratie/Partizipation zu bewegen. Ich habe letzte Woche mit einer Lehrkraft über den Klassenrat und die Problematiken der Umsetzung dessen gesprochen.
Das, was sich bewegen muss, bewegt sich zu langsam.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Eda Yilmaz -
Ich fand den Vortrag von Daniela Dahn sehr spannend. Sie sagt, wer unsere Zukunft bestimmt und betont, dass es letztlich die Geldgeber, Privateigentümer, die auch Medien besitzen und der Gesetzgeber sind. Es wurden sehr viele Kritikpunkte an der repräsentativen Demokratie genannt. Sie nannte zu Beginn Marx, der die bürgerliche Demokratie diese repräsentative dahingehend kritisiert hat, dass er gesagt hatte, dass es eine Repräsentationsfiktion ist. Man tut so als seien die Abgeordneten so eine Art was das große Volk vertritt, obwohl es nicht so ist. Sie nannte auch Theodore Roosevelt, der sich auch über die Demokratie äußerte. Ich war auch später sehr schockiert als Daniela Dahn erzählte, was er in einem Brief sagte, dass das größte Problem der Zivilisation ist, dass es einen relativen Zuwachs der wertvollen zuungunsten der weniger wertvollen geben müsste und er war dafür die wertvollen Elemente der Bevölkerung zu sichern und wünschte, dass die falschen Leute an der Fortpflanzung gehindert werden. Ich fand das sehr gruselig, was er gesagt hatte.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Susan Carolin Hagemann -
Das „imperative Mandat“ würde eine Sicherheit bieten und den „losen Versprechen im Wahlkampf“ entgegenwirken. Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass dadurch auch ein „Kampf“ zwischen den Parteien entstehen könnte, indem immer wieder die „Mandate“ von anderen angefochten werden.
Ich persönlich empfinde den Vortrag von Frau Dahn gut aufgebaut. Es könnten vielleicht mehr Quellen sein, jedoch ordnet sie für mich Aspekte kritisch ein. Zum einen die Einordnung von Roosevelt finde ich gut gelungen. Ein Negativbeispiel, welches sehr bekannt ist: bei Immanuel Kant wird häufig nicht erwähnt, dass er ein Rassist war. Ich empfinde es als relevant, dass wenn wir uns auf Menschen beziehen, diese einordnen und nicht als „reine Helden“ feiern.
Zudem anderen hat sie nicht „DIE“ Antwort darauf, wie es weitergehen sollte. Bei der Nachfrage nach der Zukunft, geht sie darauf ein, dass es ein Aushandlungsprozess sein müsste. Ich empfand es auch als positiv, dass sie immer wieder einordnet, dass diese Veränderung Energie/Kraft erfordert und eben auch anstrengend sind und in der „Theorie“ alles leichter klingt als es in der Praxis ist.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Usuario eliminado -
Erstmal muss ich sagen, dass ich den Vortrag sehr interessant fand. Wie hier viele Kommiliton:innen schreiben scheint das imperative Mandat zunächst nur vorteilhaft zu sein. So würde ich zunächst auch meinen, es sei sinnvoll, dass sogenannte Wahlversprechen einzuhalten sind. Wenn man sich jedoch ein komplexeres Szenario vorstellt, in der die eigene Partei urplötzlich während der Legislaturperiode in eine Richtung schwenkt an der man als Person gegen sein Gewissen entscheiden müsste macht das freie Mandat durchaus Sinn. Die "Ehe für alle" wurde soweit ich weiß, vorrangig durch den freien Willen der Abgeordeneten durchgesetzt, da die Kanzlerin damals die Abgeordneten vom sogenannten "Fraktionszwang" entbunden hat.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Larkin Liederwald -
Sie kritisiert u.a. an der repräsentativen Demokratie, dass Parteien nur lose Wahlversprechen liefern und es im Wahlkampf nur noch um das Umwerben von Wähler*innen geht und weniger um die Inhalte der Politik. Da würde ich ihr recht geben. Die FDP mit ihrem großen Wahlspruch von "Freiheit" sind da bzgl Wahlkampf ein gutes Beispiel.
Ein imperatives Mandat könnte eventuell der Tatsache vorbeugen, dass Parteien und Politiker*innen, sobld sie an die Regirung kommen, ihre Positionen so stark aufgeben. Die Grünen sind da in ihrer Geschichte wahrscheinlich beispiellos. Die Entscheidung, Lützerath abzubaggern ist wohl das aktuellste Beispiel. Lauterbach ließe sich hier aber auch nennen bzgl seiner Ratschläge zur Corona-Politik bevor er Gesundheitsminister wurde vs. die Entscheidungen, die er als Minister getroffen hat. Was ich auch spannend fand, auch wenn sie es nur nebenbei erwähnt hat, war die Anmerkung, dass es in der DDR kleine Formen von Rätestrukturen gab. Will hier keine Diskussion über die DDR anzetteln aber es war eben auch nich alles schlecht im Osten.
Zu der Vortragenden noch: wie ja auch aus dem Vortrag und ihrer Kritik an den Sanktionen gegenüber Russland sichtbar wird, vertritt Dahn eine prorussiche Position. Sie hat auch den Brief an Scholz unterschrieben, der die Regierung dazu aufruft, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Die aufstehen-Bewegung wurde von Sarah Wagenknecht initiiert. Finde es grundsätzlich sinnvoll, sich mit den Positionen der Redner*innen zu beschäftigen und viel mir so ein, weil du Christina, schreibst, dass du es so schwieirg fandest, wie lange die Waffenlieferungen an die Ukraine gedauert haben.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Usuario eliminado -
Ihre Kritik an die representative Demokratie kann ich nachvollziehen. Durch die Abgabe der direkten Partizipation an einen gewählten Vertreter ist es nicht möglich, die Entscheidungen dieses Vertreters exakt nachzuvollziehen oder vorherzusagen. Der Vertreter kann damit von denMeinungen abweichen, was zu den deutlichen Nachteilen dieser Demokratieform gehört.
Ferner entzieht sich das Parlament zumindest für die Zeit der Legislaturperiode der Kontrolle durch das Volk. Der Volksvertreter kann seine Position im Parlament für die Dauer seiner Wahlperiode nutzen. Ob er dabei tatsächlich die zuvor versprochenen Reformen o.Ä. auf den Weg bringt, bleibt schlussendlich ihm überlassen. Damit basiert die repräsentative Demokratie auch auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Wähler und dem gewählten Volksvertreter im Parlament, was ebenfalls Nachteile nach sich ziehen kann.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Zilan Aca -
Die Kritik kann ich auch nachvollziehen. Das bedeutet, dass Bürger*innen nie direkt an politischen Entscheidungen teilnehmen, weshalb wahrscheinlich auch die Unzufriedenheit immer mehr steigt, denn wohlhabendere Menschen können diese Entscheidungen durchaus auch beeinflussen. Außerdem werden auch hier marginalisierte Gruppen weniger repräsentiert.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Virginia Ruß -
Genau bei diesem Stichpunkt bin ich ebenso hängen geblieben. Ich denke, dass solange das representative System vorhanden ist, keine echte Beteiligung von Bürger*innen möglich ist. Zumal meistens das gesamte Wahlprogramm gewählt wird und nicht einzelne Punkte eines Wahlprogrammes. Wenn ich demnach mit einem Punkt einverstanden bin, muss ich automatisch mit einem anderen einverstanden sein. Und wie Nafkumbi bereits erwähnte, heißt die gewonnene Wahl noch lange nicht, dass mein gewählter Punkt auch wirklich ausgeführt wird, da die Politik sich immer damit absichert, dass sie es versuchen wird und sich dafür einsetzt. Doch inwieweit sie dies tut oder tat wird zudem nicht transparent offen gelegt.

Und auch Zilan's Aussage kann ich mich nur anschließen. 
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Usuario eliminado -
Dass Wagenknecht bewusst mit Rechten ein Bündnis geschlossen hat, nimmt mir einigen Anreiz mich ernsthaft mit ihren Positionen auseinanderzusetzen.
Den Einwurf zu Rätestrukturen fand ich auch spannend, habe dann kurz oberflächlich dazu recherchiert weil ich mir nichts genaues darunter vorstellen konnte und fand es beeindruckend dass es nach diesem Prinzip z.B. überhaupt keine Gewaltenteilung gäbe. Auch durch die Möglichkeit jederzeit abgewählt zu werden stelle ich es mir schwierig vor, langfristige Projekte zu verwirklichen.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Usuario eliminado -
Ein imperatives Mandat hat auf den ersten Blick viele Vorteile gegenüber dem Wähler als ein freies Mandat. In der Theorie macht es auch Sinn, dass Volksvertreter auf Grund von Nichteinhaltung ihres Wahlprogramms und/oder Wahlversprechens abgesetzt werden können. Denn wozu wählen wir sie, wenn letztendlich nicht das versprochene umgesetzt wird. Aber Politik ist eben etwas komplizierter. Es gibt viele Dinge und Ereignisse, die sich nach einer Wahl ändern. Zudem koalieren Parteien sehr oft. Daraus folgt eine hohe Kompromissbereitschaft. Politiker und Parteien sind häufig in einer Zwickmühle, die Interesse, die sie vertreten sollen, stehen sich zu sehr entgegen. Ein imperatives Mandat würde Politiker zwingen, eine sehr viel härtere und kompromisslosere Linie zu fahren. Ich bin mir nicht so sicher, wie gut das beim Volk ankommt. Denn wir dürfen nicht vergessen: oft ist eine Partei am Ruder, die uns nicht gefällt. Und diese würde auf unsere Wünsche weit weniger eingehen, als es vielleicht bei einem freien Mandat der Fall wäre.
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Re: Demokratiekritik und Imperatives Mandat

de Falko Netsch -
Willi, ich gebe dir vollkommen recht. Ein imperatives Mandat, würde bedeuten, dass regierenden Parteien auf neue Situationen nur noch eingeschränkt bis garnicht reagieren können. Wir sehen ja gerade jetzt, wie gravierend der Krieg in der Ukraine eine veränderte Politik verlangt. Und auch ich bin der Meinung, dass eine gerechte Politik nur mit Diplomatie und Kompromissen funktionieren kann.
Wenn die gesamte Gesellschaft ihren politischen Vertretern nur noch misstraut und ihnen keine Fehlentscheidungen zugesteht, dann ist das in meinen Augen eine sehr naive und unreflektierte Sicht.