Literatur oder Empirie?

Die grundlegende Entscheidung zu Ihrem Forschungsdesign lautet, abhängig von Ihrem Thema: Möchten Sie eine Literaturarbeit oder eine empirische Arbeit schreiben?

Bei einer Literaturarbeit ist es Ihre Aufgabe, relevante Literatur zu identifizieren und in neue Bezüge zueinander zu stellen. Bei einer empirischen Arbeit erheben Sie Ihre eigenen Daten oder nutzen bereits vorliegende Daten (Sekundäranalysen) und gewinnen Erkenntnisse aus der Beobachtung und Auswertung.

In der Regel raten alle davon ab, bei einem knappen Zeitbudget selbst Daten zu erheben. Der Zeitaufwand ist immer weit größer, als man ursprünglich annimmt. Doch Empfehlungen sind wie Feedback: Sie geben Ihnen die Möglichkeit, "sehenden Auges" eine Entscheidung zu treffen – die auch mal gegen die Empfehlung sein kann.

Beide Formen verlangen Ihnen ein sehr gründliches Arbeiten ab; es gibt nicht wirklich eine leichtere Form. Im Rahmen einer empirischen Arbeit, wenn Sie bisher darin keine Erfahrungen haben, werden Sie sich mehr mit Methoden befassen müssen. Für Menschen, die ebenso gerne in Prozessen wie in Inhalten denken, kann das durchaus lohnenswert sein.

 

Eine empirische Datenerhebung arbeitet in vier Schritten:

  1. Sie beginnen mit einer Operationalisierung Ihrer Forschungsfragen, d.h. der Übersetzung in messbare bzw. beobachtbare Größen und der Bestimmung der Mess- bzw. Beobachtungsinstrumente. Diese können sowohl quantitativ sein (in Zahlen messbar) als auch qualitativ (nicht messbar).
  2. Im zweiten Schritt werden die Daten erhoben,
  3. im dritten nachvollziehbar dokumentiert und
  4. im vierten Schritt ausgewertet.1

 

Für die Erstellung Ihres Forschungsdesigns müssen Sie bereits vor der Erhebung alle vier Fragen beantworten können:

  1. Was genau möchte ich messen bzw. welche Daten möchte ich erheben?
  2. Wie werde ich die Daten erheben?
  3. Wie werde ich die erhobenen Daten dokumentieren?
  4. Wie werde ich die Daten auswerten?

 

Ähnliche Fragen leiten Sie auch durch eine Literaturarbeit. Auch hier müssen Sie wissen, was Sie suchen, wie Sie es aufbereiten und analysieren möchten. Der Schwerpunkt bei Literaturarbeiten liegt einerseits auf einem Überblick der Literatur zu Ihrem Thema (spätestens hier wird deutlich, warum eine kleine Forschungsfrage so relevant ist, sonst könnten Sie diesem Anspruch niemals gerecht werden). Es ist jedoch auch Ihre Aufgabe, die Literatur kritisch zu betrachten, sie auf Ihr Thema zu beziehen und Zusammenhänge zwischen scheinbar unverbundenen Phänomenen herzustellen. Sie haben außerdem die Möglichkeit, in der Diskussion auch Ihren Schwerpunkt zu definieren: Möchten Sie eher auf Beziehungen, Widersprüche, Sprünge und Inkonsistenzen konzentrieren oder sich lieber mit dem direkten Vergleich anhand einer These oder Querbezügen befassen?2

Die Realität besteht, wie so oft, in einer Mischform. Sie können nicht empirisch arbeiten, ohne sich einen Überblick über den aktuellen Forschungsdiskurs zu verschaffen. Und es spricht auch nichts dagegen, im Rahmen einer Literaturarbeit (sehr) kleine Erhebungen durchzuführen.3

 

Eine aktuelle und gute Einführung zu Fragen des Forschungsdesigns in den Informationswissenschaften liefert das Handbuch Methoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Bibliotheks-, Benutzerforschung, Informationsanalyse4, als eBook in der Bibliothek der FH Potsdam vorhanden. In dem Sammelband finden Sie Anregungen und Hinweise zu Ihrer Methodenwahl.


vgl. Lehrstuhl für Lehr-Lernforschung (2013): Informationsblatt zur Erstellung empirischer Qualifikationsarbeiten am Lehrstuhl für Lehr-Lernforschung. Ruhr-Universität Bochum. Online verfügbar unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/lehrlernforschung/pdf/informationsblattempirischearbeiten.pdf (letzter Zugriff: 28.08.2014).

vgl. Miltner, Wolfgang H.R. (2009): Hinweise zur Gestaltung von Literaturarbeiten im Rahmen von Bachelor-, Master, Diplom- und Hausarbeiten im Bereich Biologische und Klinische Psychologie des Instituts für Psychologie. Friedrich-Schiller Universität Jena. Online verfügbar unter: http://www.uni-jena.de/unijenamedia/Downloads/faculties/fsv/institut_psychologie/ls_biopsych/Gestaltung_Literaturarbeiten.pdf (letzter Zugriff: 30.08.2014).

3 Hinweise dazu geben Standardwerke wie: Flick, Uwe; Kardorff, von Ernst & Steinke, Ines (Hrsg.) (2005): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt; oder Bortz, Jürgen & Schuster, Christof (2010). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer; Siegfried, Doreen & Nix, Sebastian Johannes (2014): Nutzerbezogene Marktforschung für Bibliotheken. Eine Praxiseinführung. Berlin/Boston: De Gruyter Saur (Praxiswissen).u.v.a.m.

Umlauf, Konrad; Seadle, Konrad & Fühles-Ubach, Simone (Hrsg.) (2013): Handbuch Methoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Bibliotheks-, Benutzerforschung, Informationsanalyse. Berlin: De Gruyter.